Dienstag, 5. November 2013

Depressionen und Arbeit : Fehltage wegen psychischer Belastungen nehmen stark zu

Seit August habe ich einen neuen Arbeitsplatz im wunderschönen Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt in Bad Kösen. Da fällt mir dann eine Veröffentlichung zu einem DAK-Report in der hiesigen Zeitung auf.
Eigentlich habe ich das Gefühl, dass hier in Sachsen-Anhalt manchmal die Menschen freundlicher, das Leben etwas entschleunigter und der emotionale Druck noch etwas weniger stark ausgeprägt ist als in anderen Regionen Deutschlands. Das jedenfalls ist eine häufige Rückmeldung von Patienten unserer Rehabilitationsklinik... Aber man kann sich ja auch täuschen.

Psychische Leiden wie Depressionen sind danach (nicht nur) in Sachsen-Anhalt leider zunehmend. Und eben auch zunehmend ein Problem in Hinblick auf die berufliche Situation der Betroffenen und ihrer Familien. Krankschreibungen wegen Depressionen führen in aller Regel eben zu einem längeren Ausfall und gerade die berufliche Re-Integration ist schwierig. Die Dauer der Fehltage bzw. die Gefährdung der weiteren beruflichen Leistungsfähigkeit explodiert geradezu.

Eigentlich muss man davon ausgehen, dass eine sog. Anpassungsstörung oder eine depressive Episode grundsätzlich gut einer psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung zugänglich wäre. Immer häufiger sehen wir aber eben Krankheitsbilder, bei denen es nicht so einfach ist. Dies wird in dem Report u.a. nett umschrieben als "unterbrochene Arbeitsbiographien" gekennzeichnet. Viele unserer Patienten haben in der ehemaligen DDR eine formale Ausbildung gehabt, die heute quasi wertlos ist. Sie haben mit grossem Engagement sehr unterschiedliche Berufe ausgefüllt, aber eben nicht einen sicheren Platz im Arbeitsprozess einnehmen können, der ihrer eigentlichen Qualifikation entspricht. Zunehmend ist in vielen Branchen hier eine Verdichtung der Arbeit mit höheren Anforderungen, mehr emotionaler Druck bzw. fehlende Wertschätzung und Lob von Vorgesetzten zu verzeichnen.


Häufig ist eine derartige Konstellation eben nicht durch die hausärztliche Verordnung von Antidepressiva bzw. Gespräche gelöst. Fachärzte aus dem nervenheilkundlichen Fachgebiet (also Psychiatrie mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie, Nervenheilkunde, Fachärzte für Psychosomatische Medizin) sind Mangelware. Noch schwerer ist es dann, einen Termin für eine Psychotherapie zu finden. Der Report beschreibt in der Zeitung Wartezeiten von 6 Monaten und mehr. Ob da die Ankündigung von Psychosomatischen Institutsanmbulanzen mehr als ein Tropfen auf dem heissen Stein sein wird, muss man abwarten. Immerhin wird jetzt das Problem der Versorgung von psychisch belasteten Arbeitnehmern auch von Krankenkassen stärker registriert. Dies ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, da für die Behandlung (bzw. Rehabilitation) als Kostenträger in aller Regel die Rentenversicherungen zuständig sind. Zumindest, wenn es um die stationäre Hilfestellung gerade im Kontext Arbeit und Belastungen geht. Hier tauchen dann Stichworte wie Burnout, Erschöpfungsdepressionen, Stalking und Mobbing bzw. wiederkehrende Stressbelastungen aufgrund von beruflichen Konfliktsituationen auf. Häufig beschreiben die Patienten dabei eine Mehrfachbelastung durch unsichere wirtschaftliche Verhältnisse, hohe Anforderungen an Mobilität (Pendeln zum Arbeitsplatz), Unsicherheit in Hinblick auf die Arbeitsplatzsituation bzw. eine zunehmende Mehrbelastung infolge von Rationalisierungsmaßnahmen.

Gerade bei Erzieherinnen bzw. auch in der Pflege sehen wir zunehmend ausgelaugte Patientinnen, die diesem Druck nicht mehr standhalten können und wollen.

Leider ist eine Krankschreibung über einige Tage oder Wochen selten eine Lösung. Häufig wird diese dann immer wieder verlängert, bis sich der Medizinische Dienst der Krankenkasse meldet. Die Erwartungshaltung dann mal eben wieder zurück in den Beruf zu kehren, ist aber schwer umzusetzen.

Die Betroffenen haben schlicht Angst wieder an den Arbeitsplatz zurück zu kehren und ihre innere Gefühlslage offen zu legen. Andererseits fehlen schlicht und ergreifend Hilfsangebote, die innerhalb von 2 oder 3 Wochen nach der ersten Krankschreibung eine Stabilisierung und lösungsorientierte Therapie der Arbeitsplatzproblematik und Depression anbieten können.

Dies wäre weit besser als die für uns häufig schwer zu lösende Aufgabenstellung einer beruflichen Reintegration eines Patienten, der seit Oktober 2012 krank geschrieben ist und solange auf eine suffiziente Behandlung warten musste.

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