In den vergangenen Jahren gab es eine Menge Auseinandersetzungen über das Für und Wider von Antidepressiva bei depressiven Erkrankungen. So wurde behauptet, dass bestimmte Medikamente (besonders) SSRI sogar eine erhöhte Gefahr für die Patienten bedeuten und das Selbstmordrisiko erhöhen könnten.
Schön länger gibt es Experten, die eine Wirksamkeit von Antidepressiva in der Behandlung von Depressionen kritisch hinterfragen und nur geringe - wenn überhaupt vorhandene - Vorteile gegenüber einer Nichtbehandlung postulieren. Eine mehr als fragwürdige Informationspolitik der Pharmafirmen mit zurückgehaltenen Studienergebnissen hat die Verunsicherung der Patienten und der behandelnden Ärzte sicher noch weiter verstärkt.
Umso wichtiger ist es jetzt, dass man zurück zu mehr Wissenschaftlichkeit bei dieser Thematik kommt. Schon die klinische Erfahrung zeigt, dass die Behandlung mit Antidepressiva gerade bei mittelschweren und schweren Verlaufsformen sehr wirksam sein kann. Ich wurde so ausgebildet, dass man dies aber nach Möglichkeit unter stationären Bedingungen machen sollte und gerade in der Anfangsphase der Behandlung darauf achten muss, dass nicht der Antrieb der Patienten wieder zurückkommt, die negativen Emotionen und Denkverzerrungen noch bestehen. Daher gibt man in einer psychiatrischen Klinik gerade zu Beginn der Behandlung häufig ein angstlösendes Medikament (z.B. Lorazempam) zusätzlich zu einem Antidepressivum.
Eine neue Studie untersuchte nun die Auswirkungen der Behandlung auf Selbstmordgedanken und Selbstmordversuche. Hierzu wurden mehr als 70000 Patienten, die von ihrem Hausarzt Antidepressiva verschrieben bekamen, mehr als 7000 Patienten, die bei einem Psychiater eine entsprechende Medikation erhielten und 54000 Psychotherapiepatienten untersucht.
Letztlich zeigte sich, dass sich die Patientengruppen hinsichtlich der Selbstmordversuche nicht unterschieden. Bei allen Patienten ergaben sich die meisten Selbstmrdversuche in den Monaten vor Beginn der Behandlung, dann im ersten Monat zu Beginn der Therapie und nahm dann deutlich ab. Auch bei einer Kombination aus Psychotherapie und Medikation verhielt sich dies nicht anders.
Besonders Jugendliche und jungen Erwachsene haben dabei ein besonders hohes Risiko. Eine Tatsache, die auch schon lange bekannt ist.
Die Patienten, die vom Psychiater behandelt wurden, hatten ein etwas erhöhtes Suizidrisiko (1124 Selbstmordversuche per 100000 Patienten), gegenüber 301 von 100000 beim Allgemeinarzt. Dies kann aber auch mit der Schwere der Symptomatik zu Beginn der Behandlung erklärt werden, da vermutlich gerade schwer depressiv erkrankte Patienten eher von einem Facharzt für Psychiatrie behandelt wurden.
Insgesamt kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass eine Behandlung mit Medikation und Psychotherapie bei Depressionen das Selbstmordrisiko verringert. Es ist immer noch besser eine Hilfe anzubieten, als eben im Nichtstun zu verharren. Wenn es ein Risiko der Medikation gäbe, so würde der Nutzen deutlich überwiegen. Keine Behandlung ist also die schlechteste Option.
Quelle : Greg Simon, M.D., psychiatrist, Group Health, Seattle; J. John Mann, M.D., chief, department of neuroscience, New York Psychiatric Institute; July 2007, American Journal of Psychiatry
Donnerstag, 26. Juli 2007
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